SO 10. September 2023, 17 Uhr
LES ESSENCES
BABA BEN ÖLMÜŞ MÜYEM?
PAPA, BIN ICH DENN TOT?
Es gibt unterschiedlichste Ideen, Beziehungen, Erwartungen, Emotionen, Auffassungen über den Tod. So auch etwas humorvolle: das leben ist eine Krankheit, die durch Sex übertragen wird und endet tödlich. (Anonym)
Wo es Leben gibt, gibt es den Tod. Meist bringt er Trauer mit sich. Der Mensch kann beidem nicht entkommen, aber Wege finden damit umzugehen. In unserem Konzert bieten wir dafür Platz – das Publikum kann sich in einem dunklen Raum ganz und gar mit den überwältigenden Emotionen des Todes und der Trauer auseinandersetzen. Die Musikwerke beschäftigen sich entweder konkret mit dem Tod oder zeichnen sich doch zumindest durch ihren ernsten Charakter aus. Auch kommt es zur spannenden Konfrontation von – vorwiegend – westlicher Instrumentalmusik mit türkischen Klage- und Volksliedern, die in diesem Konzert instrumental vorgetragen werden.
Er sagte, warum kämpfst du, wenn du weißt, dass du verlieren wirst, er vergaß, dass er lebte obwohl er wusste, dass er sterben würde… (Özdemir Asaf)
Paul Hindemith, der 1936 eine Konzertreise nach England unternahm, schrieb die Trauermusik in kürzester Zeit unter dem Eindruck des Todes des englischen Königs George V.
Benjamin Britten gab seiner 1950 entstandenen Komposition den Untertitel „Reflexionen über ein Lied von John Dowland“, und sein Ansatzpunkt war es, sich nicht immer weiter von der melancholischen Vorlage zu entfernen, sondern das Thema erst ganz zum Schluss in melodischer und harmonischer Originalgestalt zu bringen.
Der im Libanon geborene Armeniers Tigran Mansurian schrieb seine Komposition „Testament“ als seine Frau sehr krank war. Das Stück weist einen meditativen Charakter auf.
Giacomo Puccinis Streicherstück „Crisantemi“ war ursprünglich eine sehr emotionale Trauermusik, doch fand diese Elegie bald darauf Eingang in die Oper „Manon Lescaut“.
Bei dem „Adagio für Streicher“ handelt es sich um die Bearbeitung des langsamen Mittelsatzes eines Streichquartetts des 26-jährigen Samuel Barber. Das sich wellenförmig ausbreitende Stück, das auch als „Agnus Dei“ für achtstimmigen gemischten Chor eingerichtet wurde, erklingt bei zahlreichen Gelegenheiten als bewegende Klagemusik auch bei der Trauerfeier für den amerikanischen Komponisten.
Programm
John Dowland: Lachrimae, or Seven Tears (Auswahl) Anonym: Odam kireçtir (arr.)
Aşık Veysel: Uzun ince bir yoldayim (arr.)
Anonym: Ah bir ates ver (arr.)
Paul Hindemith: Trauermusik
Benjamin Britten: Lachrymae
Tigran Mansurian: Testament (arr.)
Franz Schubert: Der Tod und das Mädchen D 820 (arr.) Giacomo Puccini: Crisantemi (arr.)
Samuel Barber: Adagio (arr.)
Gareth Lubbe Viola, Obertongesang | LES ESSENCES | Önder Baloglu Konzept, Violine, Leitung
LES ESSENCES ist ein internationales Kammerorchester, das sich aus Mitgliedern hochkarätiger Kammermusikensembles und aus hervorragenden Musikern der umliegenden Orchesterlandschaft NRW entwickelt hat. LES ESSENCES hat sich als Ziel gesetzt, mit einer kritischen und mutigen Herangehensweise an die traditionsbewusste Aufführungspraxis aller Epochen anzuknüpfen. Dies gelingt durch respektvoll texttreue und informierte Spielweise. Ohne Dirigent, aber unter der künstlerisch-musikalischen Leitung des deutsch-türkischen Geigers Önder Baloglu wird die Kommunikation untereinander zu einem Werkzeug, was LES ESSENCES auch die kammermusikalische Interaktion in größeren Besetzungen ermöglicht. LES ESSENCES scheut sich nicht davor, den umgekehrten Weg zu gehen, wenn die Symphonik in Kammermusik umformatiert werden soll.
Den Kern des Ensembles bildet ein Streichquartett, Quart.essence, welches seit 2009 auf zahlreiche Konzertveranstaltungen zurückblicken kann. Durch Konzerte mit diversen Gästen erweiterte sich das Quartett allmählich, und dank des zunehmenden Erfolgs vertiefte sich der Wunsch „das große Ganze“ anzustreben. Das Repertoire des Ensembles umfasst die Barockmusik bis hin zu Auftragskompositionen zeitgenössischer Komponisten.
Die Vision des Orchesters LES ESSENCES ist es, die Essenz der Musik zurückzubringen, herauszufiltern und zu präsentieren. Die Instrumentalisten erarbeiten Partituren akribisch und detailgenau, lassen die Musik für sich sprechen und dort erklingen, wofür sie ursprünglich bestimmt war – Serenaden unter freiem Himmel, geistliche Werke in Kirchen oder Kammermusik in Salons, um nur wenige Beispiele zu nennen.
LES ESSENCES ist nicht nur auf der Suche nach den Essenzen der Musik, sondern auch nach den geschichtlichen, soziokulturellen und politischen Gegebenheiten unserer Gesellschaft: diese Idee ist der Ausgangspunkt für das musikalische Konzept. 2021 präsentierte LES ESSENCES, unterstützt durch die Ensembleförderung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Sparkasse Essen, ein spannendes Dreijahreskonzept, in dem sich die verschiedensten Stationen und Stimmungen menschlichen Lebens spiegeln. Das Konzept verfolgt das Ziel die ganze Stadtgebiet Essen, die Heimatstadt des Kammerorchesters, zu einem Spielort zu machen. Auf dem Programm innerhalb dieses Rahmens stehen bekannte und unbekannte Werke, darunter ganz alte und ganz junge Kompositionen, mit denen verschiedene Religionen und Kulturkreise berührt werden. Über das Auftaktprojekt „Mit dem Weihnachtsoratorium durch Essen“ mit Chorwerk Ruhr als Partner stattfand berichtete die WAZ: „…hat das Ensemble jetzt eine dreijährige finanzielle Förderung durch das Land NRW erhalten und weckt schon heute schönste künstlerische Hoffnungen. Chorwerk Ruhr hat damit einen gleichwertigen, ideal passenden Instrumentalpartner an seiner Seite.“
LES ESSENCES gastierte zuletzt in mehrere Essener Kirchengemeinden, beim Klasik Keyifler Musikfestival in Kappadokien in der Türkei, im Katakomben-Theater Essen, in der Mercatorhalle Duisburg, im Konzerthaus Dortmund, im CRR Konzertsaal der Stadt Istanbul, im AASSM Konzertsaal der Stadt Izmir, in der Stadthalle Rheinberg sowie im Orchesterzentrum NRW und kooperierte mit renommierten Gastkünstler wie dem Chorwerk Ruhr, mit Andreas Reiner und Anja Lechner des Rosamunde-Quartettes und der Cellistin Anastasia Kobekina.
Anstehende bedeutsame Kooperationen sind u.a. mit der Philharmonie Essen, der Stiftung Zollverein Essen, der Alten-Synagoge Essen, dem Forum Leverkusen, Focus on Harp Festival in Tel-Aviv und der Tonhalle Düsseldorf mit Gastkünstler wie dem Bratscher Gareth Lubbe, dem Harfenisten Lior Ouziel, der Geigerin Rebekka Hartmann und dem Pianisten Fazil Say.
Gareth Lubbe, geboren in Johannesburg, Südafrika, erhielt seine erste musikalische Ausbildung am Klavier und an der Geige im Alter von vier Jahren. Nur fünf Jahre später gab er in Johannesburg als Geiger sein Debut mit Orchester, es folgten zahlreiche Preise bei regionalen und nationalen
Wettbewerben. Er konzertierte ebenso als Pianist mit dem Radiosymphonieorchester von Südafrika und dirigierte das Johannesburg Symphonieorchester.
Von 1995 bis 2001 folgten ein Violinstudium an der Musikhochschule Köln und Kammermusikstudien beim Alban Berg Quartett. Nach dem Diplom schloss er ein Violastudium bei Barbara Westphal an der Musikhochschule Lübeck an.
2006 und 2007 war Gareth Lubbe Solobratscher in der Königlich Flämischen Philharmonie in Antwerpen unter Phillippe Herreweghe bevor er nach Leipzig ging, wo er als Solobratscher im Gewandhausorchester und als Dozent im Hauptfach Viola an der Musikhochschule tätig war.
Lubbe gastiert solistisch und als Kammermusiker weltweit. Er folgte Einladungen des Mahler Chamber Orchestra als Solobratscher, mit dem er unter Dirigenten wie Claudio Abbado und Daniel Harding regelmäßig konzertierte. Darüber hinaus ergaben sich vor allem auf dem Gebiet der Kammermusik immer wieder neue Kontakte zu PartnerInnen wie Claudio Bohorquez, Daishin Kashimoto, Alexander Lonquich, Fazil Say, Adrian Brendel und Baiba Skride.
Seit 1996 pflegt Gareth Lubbe eine intensive Zusammenarbeit mit dem neuseeländischen Multiinstrumentalisten und Komponisten Hayden Chisholm, mit dem er seitdem in zahlreichen Teilen der Welt aufgetreten ist. Es folgten Kompositionsaufträge des Deutschen Schauspielhauses Hamburg sowie Arbeiten mit der Künstlerin Rebecca Horn. Lubbe war auch Mitglied im Ensemble „Gelber Klang”, bekannt in Europa für die Interpretation zeitgenössischer Werke und für Improvisationsworkshops mit jungen MusikerInnen.
Als gefeierter Obertonsänger tritt Gareth Lubbe weltweit auf und leitet Workshops. Im Jahr 2005 folgte er der Einladung des Goethe Instituts zu einem Auftritt beim ethnischen Festival in den Altay Bergen Süd-Sibiriens, wo diese Art der polyphonen Vokaltechnik ein lebendiges Element der Volksmusik ist.
Gareth Lubbe ist im April 2013 zum Professor für Viola an die Folkwang Universität der Künste berufen.
Önder Baloglu verbindet seine Liebe zur Kammermusik und die Profession als Konzertmeister gerne als musikalischer Leiter eines Ensembles oder Orchesters vom Pult aus. So tritt er nicht nur mit seinem Kammerorchester Les essences, sondern auch mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn, den Duisburger Philharmonikern, dem Yasar Sinfonieorchester, den Gedik Philharmonikern oder dem Bilkent Sinfonieorchester in der Türkei, Deutschland, Finnland und in Frankreich auf.
Solistisch trat Önder mit den Bochumer Symphonikern, den Duisburger Philharmonikern, dem Sinfonieorchester Aachen, dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie Koblenz, dem Ensemble Folkwang Modern, mit allen staatlichen Sinfonieorchestern der Türkei, den Gedik Philharmonikern und mit dem Bilkent Sinfonieorchester auf. Seine Konzerte wurden im türkischen TRT und NTV sowie im ZDF und WDR3 ausgestrahlt.
Seine Leidenschaft für Kammermusik führte ihn bereits in den Gasteig und den Herkulessaal München, in den Wiener Musikverein, ins Konzerthaus Berlin, in die Tonhalle Düsseldorf, in die Philharmonie Essen, zum Musiquem Lleida Musikfest in Spanien, zu den Brühler Schlosskonzerten, zu den Duisburger Akzenten oder zum Kuhmo Kammermusikfestival in Finnland.
Von 2013 bis 2022 war Önder Konzertmeister bei den Duisburger Philharmonikern und der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf-Duisburg. Als Konzertmeister bei zahlreichen deutschen, türkischen und internationalen Orchestern sowie als Mitglied des Orchesters der KlangVerwaltung tourte er durch viele Länder Europas, Nord- und Südamerikas und Asiens.
Ab 2015 gestaltete er als Gründer und Künstlerischer Leiter eine ausgefallene Konzertserie: Klassisch.Unterirdisch. – das Underground-Festival der Klassik im Katakomben-Theater Essen. Zudem übernahm er 2017 die Künstlerische Leitung des Klasik Keyifler Musikfestivals in Kappadokien.
Außerdem ist er Mitbegründer der Erato – Akademie für Musik und Sprache Rhein-Ruhr sowie der Gedik Philharmoniker in Istanbul.
Geboren im türkischen Adana erhielt der Geiger Önder Baloglu seine Ausbildung bei Ferhang Huseynov, Nana Jashvili, Pieter Daniel und Andreas Reiner. Andere wichtige musikalische Begegnungen mit Vadim Gluzman, Patricia Kopatchinskaja, Ivry Gitlis, Gordan Nikolic und Enoch zu Guttenberg bereicherten seinen künstlerischen Werdegang.
Önder unterrichtet am Königlichen Konservatorium Den Haag sowie an der Folkwang Universität der Künste und konzertiert auf einer Violine von Antonio Gragnani aus Livorno von 1779.